Wir schreiben 1941. Leningrad wird von den deutschen Truppen belagert, und der endlose
russische Winter rückt unaufhaltsam näher. Man weiß aus der Geschichte, dass Tausende
verhungern oder erfrieren werden, bevor der nächste Frühling kommt, doch Helen Dunmore
ist keine Autorin, die uns mit der der Moral von Zahlen kommt. Sie wirft den Leser in das
Leben der 23jährigen Anna Michailowna Levin, einer begabten Malerin, die gerne auf die
Kunstakademie gegangen wäre, wäre nicht ihre Mutter bei der Geburt des inzwischen 5jährigen
Koljas gestorben. Für Anna ist der 18 Jahre jüngere Bruder mehr ihr Kind, ein zartes Kind,
um dessen Überleben sie nun, in den Zeiten der Belagerung, besonders fürchtet. Auch Annas
Vater, der kränkelnde Schriftsteller Michail Iljitsch, der sich mit dem Regime überworfen
hat und Schreibverbot bekam, lebt bei Anna, die die alleinige Sorge für den Unterhalt der
Familie trägt. Dafür geht sie in einem Kindergarten arbeiten, versucht Gemüse zu pflanzen,
stellt sich stundenlang an, um Lebensmittel zu bekommen, die immer knapper werden,
verweigert einer Nachbarin die Axt, die sie selbst braucht, um bei Eisestemperaturen
Holz zu hacken. Es ist fast ein Wunder, als die ehemalige Geliebte des Vaters, die
Schauspielerin Marina, eines Tages auftaucht und Köstlichkeiten wie Honig, Marmelade
und Schmalz mitbringt Als Leningrad sich vor der Blockade zur Verteidigung bereitmacht
und alle aufgerufen sind zu helfen, wird Annas Vater verletzt. Anna lernt den Arzt Andrei
kennen, und ein zarte Liebesgeschichte entspinnt sich zwischen den beiden jungen Menschen
vor dem Hintergrund unendlich schwerer Wochen und Monate, in denen man sich jeden Tag
die Frage stellt, wie man überleben kann mit einer Scheibe Brot, in der der Hunger so
groß wird, dass man Leder und Tapeten auskocht, um Suppe daraus zu machen, und der
Winter so kalt, dass man erst die Möbel verbrennt und dann die Bücher. Während der
Schriftsteller Michael und die Schauspielerin Marina sterben, werden Anna, Adrei
und Kolja den nächsten Frühling erleben, der Hoffnung verspricht. |
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